Martin Hofmann praktiziert Wing Chun seit er ein junger Mann ist. In der Selbstverteidigung fand der ehemalige Karateka nicht nur ein Hobby, sondern machte sie zum Beruf. Seit Januar bietet er die chinesische Kampfkunst und den philippinischen Stockkampf Escrima in Waldmohr an.
Kampfsport gehört für Martin Hofmann schon seit vielen Jahrzehnten zu seinem Leben dazu. Der 56-Jährige begann vor 42 Jahren mit Karate, „ehe ich 1986 zum Wing Chun gekommen bin“. Er war Mitglied des rheinland-pfälzischen Karate-Landeskaders, ein aufstrebendes Talent. Doch er wollte etwas anderes, „mehr in Richtung Selbstverteidigung“ und weg vom eher auf Wettbewerbe ausgerichteten Karate. So begann er vor 37 Jahren mit Wing Chun. Einige Zeit später kam Escrima, ein philippinischer Stockkampf, dazu.
Was vor allem auffällt in seiner Kampfkunstschule in Waldmohr, ist die Ruhe beim Training, die Übenden lernen im Dialog miteinander, geben sich Hilfestellung. „Dai-Sifu“ Hofmann, wie ihn seine Schüler auch nennen, macht die jeweilige Übung, die runden, fließenden Bewegungen vor, erklärt auf was es insbesondere ankommt, dann widmet er sich der nächsten Gruppe. „Sifu ist der oberste Lehrer, Dai-Sifu, also Großmeister, bin ich, weil ich selbst einige Meister ausgebildet habe“, erklärt Hofmann. Das Unterrichten im Wing Chun folgte für ihn fast schon zwangsläufig: „Ich wollte immer auch eine eigene Schule haben“, erzählt er. 17 Jahre war er in Schönenberg-Kübelberg, danach 18 Jahre in Brücken, ehe das Haus, in dem seine „Art of the Warrior“-Akademie beheimatet war, verkauft wurde. Seit Januar betreibt er nun seine Schule in Waldmohr.
Abwehr geht nicht ohne Angriff
Hofmann war Mitglied der EWTO, der Europäischen Wing-Tsun-Organisation, die zu den Anfängen dieser Kampfkunst in Deutschland prägend gewesen sei, berichtet er. Er machte sich schließlich selbstständig, auch der „Aspekt des Geldverdienens“ spielte dabei eine Rolle. Hofmann gründete 2004 seinen eigenen Verband, die Ausbildungsakademie Art of the Warrior (zu deutsch: Die Kunst des Kriegers) entstand. Etwa zehn Schulen in Deutschland, unter anderem aber auch in den USA oder in Belgien sind Teil des Verbandes. Seit fünf Jahren ist Hofmann nun hauptberuflich Kampfkunst-Lehrer, sagt er.
„Paff, paff, paff“ scheppert es, während der Sifu einen seiner Schüler mit Handschlägen bearbeitet. Er will den Geübteren in der Gruppe verdeutlichen, wie explosiv die Bewegungen sein müssen, um effektiv zu sein. Dieses Explosivitätstraining gehört genauso in das wöchentliche Programm wie die Schulung der Reflexe, Koordinations- oder Stresstraining. „Selbstverteidigung ist immer auch Angriff“, erklärt Hofmann. Der Verteidiger müsse schließlich schnell agieren, direkt auf die Bewegung des Angreifers reagieren, dessen Impuls stören, um eine Chance zu haben. „Angriff und Abwehr sind bei uns gleichzeitig“, verdeutlicht er.
Ohne große Muskelkraft
„Wing Chun kommt mit dem Kraftpotenzial einer Frau aus“, macht er klar. „Es benutzt angeborene Reflexe, wir lernen diese im Training alle nacheinander im gesamten Körper kennen“, erklärt Hofmann. Werde von einem Angreifer ein Impuls, beispielsweise durch Festhalten des Arms gegeben, reagiere der Verteidiger auf diesen mit einem bestimmten Muster. „Dabei ist es egal, wie dieser Druckpunkt angesprochen wird, ob durch Händedruck oder einen Kopfstoß“, gibt er ein Beispiel. Der Angreifer forme damit, je nach gewähltem Druckpunkt, die Bewegung des Verteidigers.
Wing Chun ist einer von 500 Kung-Fu-Stilen, erläutert Hofmann. „Es gehört zu den inneren Kung-Fu-Stilen.“ Genutzt werde dabei die Kraft der Atmung, der Gelenke und des Energieflusses im Körper sowie die Beschleunigung, erklärt der Meister. Dadurch sei weniger Muskelkraft notwendig, die, so erklärt der Sifu weiter, prägend für die äußeren Stile sei.
Im Wing Chun gebe es keine Wettkämpfe, es diene rein der Selbstverteidigung. Rituale seien wie in anderen Kampfkünsten ein Teil des Trainings, so beispielsweise die Begrüßung oder die Verabschiedung. „Es geht auch darum, sich als Mensch zu entwickeln, sich durch den Kampf zu reinigen und zu wachsen“, mentale Stärke hinzuzugewinnen. „Raufbolde können wir nicht gebrauchen“, macht er deutlich. Wer sich prügeln wolle, sei in der Selbstverteidigung falsch. Denn wer Wing Chun trainiert, übe sich auch darin, den eigenen Körper und die eigene Aggression zu kontrollieren. Das erfordere viel Zeit und Konzentration auf die einzelnen Reflexmuster des Körpers. „Selbstverteidigung muss man wie eine Fremdsprache sehen. Wenn Dich jemand angreift, ist es wie in einem anderen Land zu sein. Und entweder, Du kannst dann mitreden oder nicht“, erklärt der Meister. Damit dieses Mitreden, der Verteidigungsreflex, ohne Verzögerung klappe, sei es so wichtig, viel zu üben. Das macht er auch seinen Schülern klar, verschwindet wieder zu einer Kleingruppe und prüft ihre Reaktion mit einigen schnellen Unterarmschlägen.